Michael Lorenz
Viveca Servatius: Constanze Mozart Eine Biographie, Brill Österreich 2018, 653 Seiten (ISBN 978-3205205968)
Die in diesem Buch enthaltenen Fehler können sicher niemals alle in einer Rezension genannt werden. Wo immer man diese Biographie öffnet und kurz hineinliest, stößt man auf Unsinn. Das beginnt schon vor dem Haupttext bei der Beschreibung der österreichischen Währung: "Constanze verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens in Österreich, wo die Währung in Gulden gerechnet wurde. Außerdem gab es Dukaten (Taler), wobei ein Dukat drei Gulden entsprach. Die kleinste Einheit war der Kreuzer." 1) Dukaten waren nicht Taler. 2) Ein Dukaten (von dem es zwei Sorten gab) entsprach nicht drei Gulden, und 3) die kleinste Einheit waren nicht Kreuzer, sondern Pfennige. Von Mozarts Musik scheint die Autorin nicht viel zu wissen, denn KV 421 wird als "auch genannt das Dissonanzquartett" präsentiert. Man erfährt Erstaunliches, wie z.B. dass : "Constanze nicht stillen konnte, weil sie große Brüste hatte" und Mozarts Kinder "mit Wasser" ernährt wurden. Bei Mozarts Hochzeit "wurde die Serenade KV 361 aufgeführt" - ein Irrtum, der schon über 100 Jahre alt ist und einfach nicht aussterben will. Servatius' Unwissen erstreckt sich auf jeden Themenbereich. "Die Häuser vor dem Dom wurden erst um 1900 abgerissen" - nein, dieser Abriss erfolgte 1792 und 1803. Man könnte ja einen Lokalhistoriker fragen, aber dazu wäre ein bisschen Bescheidenheit nötig, die der Autorin offenbar fehlte. "Im April 1780 zogen Webers in eine größere Wohnung, zwei Treppen hoch am Petersplatz 1226 (heute Nr. 11). Cäcilias Absicht war es, Zimmer zu vermieten, wie es schein vor allem an Gastmusiker. [...] Webers besaßen bereits zwei Flügel" Tatsache ist, dass wir über die Größe der zwei Weberschen Wohnungen überhaupt nichts wissen. Eine Hausnummer 1226 gab es am Petersplatz nicht, das Haus trug die Nummer 577, und die heutige Hausnummer ist nicht Petersplatz 11, sondern Petersplatz 8. Es ist völlig unbewiesen, dass Frau Weber jemals außer Mozart noch andere Untermieter hatte und wir wissen auch nicht, wem die beiden Klaviere gehörten, die Mozart 1781 in einem Brief an seinen Vater beschrieb. So geht es dahin. Alles wirkt ganz gebildet und nett, aber die Fehler stecken buchstäblich in jedem Absatz. Servatius lässt Franz Jakob Freystädtler am Requiem arbeiten, hätte sie sich mit dem nötigen Arbeitsaufwand der Mozart-Literatur gewidmet (eine Arbeit, die alle Constanze-Biographinnen konsequent vermeiden), hätte die Autorin bemerkt, dass diese Hypothese seit 2006 widerlegt ist. Leopold Mozart "starb an Tuberkulose und wurde auf dem Sebastiansfriedhof in Salzburg begraben". Nein, Leopold starb weder an dieser Krankheit, noch wurde er auf diesem Friedhof begraben. Er wurde in der Kommunalgruft von St. Sebastian beigesetzt (wie gesagt, für das nötige Literaturstudium reichte die Zeit nicht). Die Fehler sind allgegenwärtig. Ein besonders markantes Beispiel ist eine Passage über die Taufe von Mozarts letztem Kind: "Johann von Trattner, der zu dieser Zeit bereits 84 Jahre alt war, stand Pate, konnte jedoch nicht persönlich anwesend sein. Dass das Kind nicht nach von Trattner Johann getauft wurde, erscheint merkwürdig, und man hat es daher oft als selbstverständlich angesehen, dass es nach Süßmayr Franz Xaver hieß [...] es gab allein mindestens drei Personen dieses Namens, die Mozart nahestanden: Duschek in Prag, der Bassist Gerl am Freihaustheater, sowie der musikinteressierte Beamte Franz Xaver Flamm, in diesem Jahr frisch vermählt mit Barbara Flamm." Die Fakten: 1) Trattner war 1791 nicht 84, sondern 73 Jahre alt. 2) Es war nicht möglich, das Kind nach seinem Paten "Johann" zu nennen, denn Trattners Taufname war Thomas. 3) Ebenso war der primäre Taufname von Mozarts letztem Kind nicht "Franz Xaver" sondern Wolfgang, was durch zahlreiche Quellen belegt ist, aber von Mozart-Biographen, die um die katholischen Taufbräuche des 18. Jahrhunderts nicht Bescheid wissen, hartnäckig ignoriert wird. 4) Herr Flamm war nicht "frisch vermählt", denn er hatte seine Frau schon am 15. Februar 1790 geheiratet. Falsche biographische Daten sickerten bis in den Index des Buches. Das dort falsch angegebene Geburtsjahr Josepha Auernhammers bedeutet nichts anderes, als dass Mozarts 1781 seinem Vater das opulente Dekollete einer Dreizehnjährigen beschrieb. Seriöse, mit dem nötigen Zeitaufwand verbundene Quellenarbeit in Wiens Archiven wurde unterlassen, die Autorin begriff nicht einmal, was Konskriptionsbögen sind und wann sie angelegt wurden ("1.1.8.A101" ist keine brauchbare Signatur). Das Theater an der Wien übersiedelte 1801 nicht "in ein Theaterhaus[sic!] am Naschmarkt", denn der Naschmarkt befand sich damals nicht, so wie heute, bei der Kettenbrücke, sondern vor der Nordseite des Freihauses auf einem Teil des heutigen Karlsplatzes. Das angebliche Foto Constanze Mozarts wird wieder für echt gehalten, weil auch Frau Servatius die technische Entwicklung der Freiluft-Gruppenfotografie nicht studiert oder verstanden hat. Zahlreiche in Wiens Archiven liegende Dokumente zu Constanze Mozart warten weiterhin auf ihre Publikation, weil enthusiastische Autorinnen immer wieder "schon alles für erforscht" halten. Der Übersetzer Krister Hanne kann sicher ausgezeichnet Schwedisch, aber das reicht noch nicht für ein Mozart-Buch. Die Taufe von Mozarts erstem Kind lässt er in einer "Hofkirche" stattfinden, wobei es sich aber um die "Kirche am Hof" handelt, die mit der Hofkirche der Mozartzeit nichts zu tun hat. Die neue Rechtschreibung schlägt gnadenlos zu ("gut machen" bedeutet etwas ganz anderes als "gutmachen") und wenn ein Übersetzer Mozart "in der Landstraße" wohnen lässt, und Formulierungen wie "Um das Jahr 1800 herum" produziert, zeigt sich, dass er für seinen Job nicht wirklich qualifiziert war.
© Dr. Michael Lorenz 2019. Alle Rechte vorbehalten. Publiziert am 28. September 2019 auf amazon.com. Im Internet veröffentlicht am 9. September 2023.