Wien, 2. August 2024Sehr geehrter Herr Professor,
vielen Dank für Ihre Antwort! Angesichts der Tatsache, dass Professor
Kiehn mir nicht antworten kann, gehe ich davon aus, dass ihm die Worte
fehlen. Wenn Sie bei mir "gehässigen Ton" sehen, ist das die ganz
normale Reaktion eines Professors, der feststellen muss, dass eine
Schülerin ihn durch Publikation einer fehlerhaften Recherche blamiert
hat. Von Gehässigkeit war in meinen sachlichen Ausführungen keine Spur.
Man schimpft den Boten, weil einem die Botschaft missfällt. Ich habe am
22. Juli 2024 in meinen, mittlerweile in stalinistischer Manier
(Scheinbegründung: "Störung durch fehlenden Themenbezug") gelöschten
Kommentaren zum
Blog im Online-Standard alle Quellen genannt, weswegen es keinen
Grund gibt, diese Daten als "mangelhaft und fragwürdig" zu bezeichnen.
Wenn Sie die Texte meiner Kommentare lesen wollen, müssen Sie sich an
die Zensoren vom "Standard" wenden.
Der Hinweis auf Ihre "50 Jahre geschichtswissenschaftliche Arbeit"(meine
30 Jahre Forschung sind nichts dagegen) gibt Anlass, Ihnen zu zeigen,
dass diese lange Erfahrung nicht das nötige Wissen akkumulierte, das im
Zeitalter des Internets die Forschung massiv erleichtert und
beschleunigt. Um nicht missverstanden zu werden: die physischen
Quellenbestände muss man trotzdem immer in ihrer GESAMTHEIT kennen. Das
ist die Basis des "biographischen Handwerks", das man (im Gegensatz zu
Ihrer Behauptung) garantiert nicht "im Österreichischen Biographischen
Lexikon der ÖAW" lernt. Wie korrigiert man also binnen zehn Minuten die
irrigen Daten in Nikolaus Hosts Biographie?
1) Man stellt zuerst einmal fest, wer Hosts Eltern waren und wer Hosts
Ehefrau war (banale Fragen aus dem Forschungs-Einmaleins, die zu beantworten
Dr. Petz-Grabenbauer nie in den Sinn kam). Das tut man mit der Eruierung von
Hosts Trauungseintragungen in den Matriken der Dompfarre (Verkündung am
18.04.1795) und der Pfarre Maria Rotunda (Trauung am 03.05.1795). Diese
Eintragungen sind alle auf
https://data.matricula-online.eu zugänglich, die Pfarren eruiert man mit
Datenbank der Wiener Trauungen auf
https://www.genteam.at.
2) Diese Online-Hilfsmittel gab es schon als Dr. Petz-Grabenbauer im Jahr
2016 ihre Forschung machte. Kennt man einmal die Namen von Hosts Eltern,
wird einem sofort klar, dass die von Dr. Petz-Grabenbauer im Online-Standard
(und schon 2017 im Druck) publizierte Taufeintragung aus dem Jahr 1761, die
FALSCHE ist.
3) Auf
https://www.genteam.at gibt es die Datenbank "Mediziner aus Wien", die
auch sämtliche an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien
immatrikulierten Personen (aus den "Acta facultatis medicae") enthält. Dort
findet man unter Hosts Namen seinen Geburtsort, sein Geburtsdatum (in diesem
Fall das Datum seiner Taufe im Jahr 1758) und sein Promotionsdatum.
4) Auf Basis dieses Taufdatums konsultiert man die Taufbücher von Rijeka,
die auf der Seite der Mormonen (https://www.familysearch.org/)
online sind. Dort findet man auf fol. 97v des betreffenden Taufbuchs die
tatsächliche Taufeintragung Hosts vom 10.12.1758 (bestätigt durch die
korrekten Namen seiner Eltern) mit dem Verweis auf das Geburtsdatum des
Täuflings ("natum 7 currentis").

5) Nun widmet man sich Hosts Sterbeort. Reichardts Angabe in der DB von
1881, Host sei in Schönbrunn gestorben (der von mehreren Autoren, wie z.B.
schon Neilreich 1855, S. 36, widersprochen wurde), ist als
märchenbiografische Miszelle abzutun und nicht als "legendenumwobener Tod"
aufzublasen. Man konsultiert folgende Primärquellen: das
Totenbeschauprotokoll des Magistrats, WStLA, Totenbeschreibamt 174, H, fol.
2r (auf
https://www.familysearch.org/ online) und die Einsegnungseintragung in
der Matrik der Dompfarre (online) und entnimmt diesen Quellen die
unwiderlegbare Tatsache, dass Host im Haus Stadt 595 "an Wassersucht" starb.
(Es gibt wahrscheinlich noch eine Eintragung im Bahrleihbuch von 1834, aber
diese Quelle wurde nie digitalisiert). Diese Dokumente zu konsultieren,
wurde von Dr. Petz-Grabenbauer unterlassen. Ihre These, dass "Hosts Leichnam
von Vertrauensleuten in die Stadt zur Totenbeschau gebracht wurde" (2017, S.
352) ist kulturhistorisch unhaltbarer Unfug. Im Jahr 1834 (Choleragefahr)
war es streng verboten, eine unbeschaute Leiche über die Linie in die Stadt
zu schmuggeln. Wäre Host in Schönbrunn gestorben, wäre er problemlos in
Schönbrunn beschaut, in Maria Hietzing eingesegnet und im Hietzinger
Friedhof begraben worden.
6) Anton Behsels Häuserschematismus von 1829 (dort S. 18, auf
https://www.digital.wienbibliothek.at online) entnimmt man die Tatsache,
dass das Haus Stadt 595 den Arthaber'schen Erben gehörte, von denen (so
nebenbei) Host einer war. Weitere (hier irrelevante) Details der Geschichte
des Hauses Stadt 595 entnimmt man dem Standardwerk von Paul
Harrer-Lucienfeld (auf
https://www.digital.wienbibliothek.at online).
Wenn man die Online-Bestände aus dem ff kennt (weil man sie seit Jahren
täglich benützt), dauert diese Recherche nur zehn Minuten. Die Diagnose der
Situation ist einfach: was man seinerzeit bei Günther Hamann lernte, weiß
ich aus den Berichten zahlreicher Kollegen. Dass Dr. Petz-Grabenbauer das
Recherche-Einmaleins nie gelernt hat, zeigt nun ihre Host-Forschung aufs
Endrücklichste. Ich betrachte diesen kuriosen Fall als Quelle endlosen
Amüsements, das mich noch lange zum Lachen bringen wird. Allein die
Tatsache, dass Dr. Petz-Grabenbauer im Jahr 2017 den Titel ihres Aufsatzes
mit "Die geheimnisvolle Geburt" begann (weil ihr diese Geburt ja tatsächlich
immer ein Geheimnis blieb!) ist so grandios lustig, dass niemand jemals
dieses Szenario hätte erfinden können.
Durch die Danksagung Dr. Petz-Grabenbauers in ihrem 2017 publizierten
Aufsatz (S. 354): "Ich danke Helmuth Grössing für die Hilfe bei der
Transliteration und Übersetzung der lateinischen Quellen" wurden Sie in die
Blamage hineingezogen, denn die Transkription der im Standard erneut
publizierten Taufeintragung und deren Übersetzung sind fehlerhaft. Es heißt
eben nicht "Die eadem" und in keiner Taufeintragung der k.k. Monarchie wurde
jemals das Wort "heri" im Sinne von "soeben" verwendet. Diese
Fehlübersetzung hatte allein den Zweck, den 6. Dezember als Geburtstag
dieses falschen Kindes zu retten, das wahrscheinlich ein Cousin von Thomas
Host war. Bei der Lektüre von Hosts Sperrs-Relation musste ich mittlerweile
feststellen, dass Dr. Petz-Grabenbauer dieses Dokument nicht lesen konnte,
bei ihrer Arbeit keinerlei Beratung hatte, und ihre Zusammenfassung dieser
Quelle in ihrem Aufsatz von 2017 aufgrund quellenkundlicher
Ahnungslosigkeit, von irrigen Angaben strotzt. Folgende Angaben
Petz-Grabenbauers über den Inhalt der Todfallsaufnahme (die Bezeichnung
"Totenfallaufnahme" ist irrig) sind falsch (und ich weise darauf hin, dass
ich zu dieser quellenkundlichen Gratis-Unterrichtseinheit nicht verpflichtet
bin):
a) Dass "Hosts Kinder den Tod ihres Vaters an Eides statt bestätigten"
(Petz-Grabenbauer, S. 351f.) ist purer Nonsens. Der Tod stand behördlich
fest und musste nicht beeidet werden. Die Erben hatten nur die Erbserklärung
abzugeben und um die Einantwortung der Verlassenschaft zu bitten.
b) Da Karl Host als Auskultant beim k.k. Kollegialgericht in Trient
angestellt war, befand er sich 1834 nicht in Wien, "bestätigte" nichts und
ließ sich zuerst von seinem als Oberlieutenant beim Militär dienenden Bruder
Johann vertreten. Als dieser Ende Februar 1834 Wien verließ, übernahm Dr.
Weißmann die Vertretung der beiden Söhne. Auf dem Abhandlungsgesuch vom
April 1834 befinden sich daher nur die Unterschriften von Hosts Töchtern und
dem Anwalt.
c) Petz-Grabenbauers Angabe, es gäbe in der Sperrs-Relation "keine Hinweise
zum Sterbeort" (S. 351), ist irrig. Auf der zweiten Außenseite des
Mantelbogens befindet sich die Eintragung "Todtenfall in der Stadt", wodurch
ebenfalls bewiesen ist, dass Host im Haus Stadt 595 starb.

d) Nikolaus Host war nicht (wie die Autorin schreibt) "im Besitz eines
Neuntel[sic!] des Hauses Stadt KN 595" (dieser Artikel wurde
angeblich
peer reviewed). Er besaß drei Neuntel dieses Hauses im Schätzwert
von 15.600 fl. CM, die er von seiner Frau Barbara, geb. Arthaber geerbt
hatte. Barbara Host hatte dieses Haus 1801 gemeinsam mit ihren beiden
Brüdern gekauft. Dass "diese Hausanteile wahrscheinlich 1801 von Host
erworben wurden" (Petz-Grabenbauer, S. 351) ist durch unterlassene Recherche
verursachter Unsinn. Host hatte nie die finanziellen Mittel, einen
Hausanteil in der Stadt zu kaufen. Genauere Informationen über die
Genealogie der Familie Arthaber und weitere bisher nicht bekannte Dokumente
der Familie Host unterbleiben hier, da sie einer Publikation vorbehalten
sind.
e) Dass es sich bei Czeikes falscher Hausnummer "um einen Schreibfehler im
Totenbeschauprotokoll handeln dürfte[sic!]", ist eine gewagte Aussage
von jemandem, der nachweislich diese Totenbeschauprotokolleintragung nie
gesehen hat. In diesem Protokoll gibt es keinen Schreibfehler.
f) Das Transkriptionsfragment auf S. 352 aus Hosts Sperrs-Relation enthält
mehrere grobe Fehler und erhärtet den Verdacht, dass Dr. Petz-Grabenbauer
die Sperrs-Relation nicht wirklich lesen konnte. Die Quellenangabe in
Fußnote 20 zu einem Gräberbuch ist unvollständig und falsch. Hosts Begräbnis
"könnte" (S. 352) nicht am 15. Jänner erfolgt sein, es erfolgte definitiv an
diesem Tag (Sterbebuch der Dompfarre, s. oben). Hosts Sterbedatum wurde
nicht "von allen fünf Kindern bestätigt" (Karl Host war nicht in Wien), es
musste nicht bestätigt werden, da es schon vom magistratischen
Totenbeschreibamt bestätigt worden war. Legenden entsprechen "dem Kern nach"
NICHT der Wahrheit und Todesfälle wurden NICHT "von kaiserlichen
Bediensteten in Schönbrunn immer sehr diskret", sondern der Rechtslage
entsprechend behandelt.
g) Die Aussage der Autorin: "Viele Fragen bleiben offen beim Studium der
Protokolle des Verlassenschaftsverfahrens" erschließt der unfreiwilligen
Selbstironie eine neue Dimension. Wenn man die Dokumente lesen kann, bleiben
keine Fragen offen. Auch die Behauptung "Hosts Kinder gaben wenig zum
Vermögen ihres Vaters an" entspricht nicht den Tatsachen, denn Hosts Kinder
gaben ALLES zum Vermögen ihres Vaters an. Sie waren gesetzlich dazu
verpflichtet.
Ihr nett gemeinter Verteidigungsversuch mit dem Verweis auf "il diletto"
muss scheitern. Eine im Standard grandios als "Kultur- und
Wissenschaftshistorikerin" präsentierte, verwegen an die Öffentlichkeit
drängende Forscherin, die Artikel für das ÖBL geschrieben hat (eine
Tätigkeit, die ich aufgrund des zu niedrigen Honorars immer ablehnte), kann
man nicht bei Bedarf auf den Status einer Dilettantin degradieren. Sie ist
eine "Frau Doktor" (Lehrerin) und kann daher per definitionem keine
Dilettantin sein. Besonders fahrlässig wird es, wenn die fehlerhafte Arbeit
so einer "Dilettantin" als Grundlage von
in Stein gemeißelten Lebensdaten verwendet wird. Da hört sich dann doch
der Spaß auf und weder Nikolaus Host noch die Kroatische Akademische
Gemeinschaft haben die Gedenktafel-Schlamperei verdient, die im Botanischen
Garten realisiert wurde.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Michael Lorenz