Michael Lorenz

 

Malte Korff, Franz Schubert, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003 (ISBN 3-423-31069-3)

 

Es ist wie schon bei Korffs Mozart-Biografie genau das passiert, was bei dieser Art von Populärbiografien oft der Fall ist: der Autor hat sich mit der Fachliteratur der letzten 40 Jahre nicht beschäftigt und exzerpierte wieder nur die verdienstvollen, aber fehlerhaften und vielfach veralteten Bücher von Otto Erich Deutsch. Daher wurde erneut ein Chance versäumt, mit vielen alten Fehlern aufzuräumen.

 

Schon auf der Rückseite des Buches befindet sich der erste Fehler. Schubert war nicht das zwölfte, sondern das 13. Kind seiner Eltern, die schon vor ihrer Heirat einen unehelichen Sohn mit Namen Franz Ignaz zeugten, der am 12. April 1783 geboren wurde und am 27. April 1783 starb. (vgl. Rita Steblin, "Franz Schubert - das 13. Kind" in: Wiener Geschichtsblätter 56/3 (2001), S. 245-65)

S. 10:

Schuberts Vater kam nicht 1783 nach Wien, sondern schon im Spätsommer 1778 (Literatur w. oben). Das Gebiet innerhalb der Stadtmauern Wiens hieß zu Schuberts Zeit niemals "Innere Stadt", sondern immer "Stadt".

S. 11:

Daß Schuberts Großvater mütterlicherseits ein Schlossermeister war, ist eine bis heute unbewiesene Behauptung Otto Erich Deutschs. Jener "Johann Franz Vietz", der 1772 in Wien im Alter von 65 Jahren starb, ist nicht nachweislich identisch mit Schuberts Großvater Franz Johann Vietz, der zu diesem Zeitpunkt erst 51 Jahre alt war.

S. 12:

Die Passage über die erste Schwangerschaft von Schuberts Eltern müßte aufgrund der genannten Forschungsergebnisse geändert werden. Ebenso die Angabe "das 12. Kind" auf dieser Seite und die Liste der Geschwister auf S. 15 und die Eintragung auf S. 178.

S. 19:

Das angebliche Portrait Schuberts "als Hofsängerknabe" ist nicht authentisch. Es stammt nicht von "Leo Diet", sondern von Leopold Dietmann (1857-1942), der von seinem Freund O. E. Deutsch beauftragt wurde, dieses fiktive Bild für dessen Schubert-Ikonographie des Jahres 1913 (S. 32 u.126) anzufertigen. Es ist grotesk, daß dieses "Portrait" nun in den Kanon der authentischen Portraits aufgenommen wurde.

S. 23:

Die Walzerkomponisten, die den Walzer "auf die Ebene des Kunstwerkes heben", heißen nicht "Richard Strauß" (Vater und Sohn), sondern Johann Strauss. Ein erstaunlicher Fehler.

S. 25:

Der populäre Komponist Krommer (1759-1831) hieß nicht Karl, sondern Franz Vinzenz.

S. 29:

Johann Rudolf Zumsteeg war kein "Wiener Liederkomponist" (wie Korff vermutet). Er wurde im Badischen Sachsenflur geboren und starb in Stuttgart.

S. 32:

Korff bringt ein Zitat aus Schuberts Traumerzählung des Jahres 1822 als wäre es eine Tagebucheintragung des 15-jährigen Schubert zum Tod seiner Mutter. Diese Vorgangsweise ist falsch und von einer atemberaubenden Willkür.

S. 35:

Johann Christoph Senns Vater Michael Senn wurde nicht ermordet. Er war k.k. Magistratsrat in Wien und starb am 20. Februar 1813 im Alter von 53 Jahren an Nervenfieber. Senns Mutter beging zwar Selbstmord, woher Herr Korff aber diese kuriose Information über Senns Vater hat, bleibt unerfindlich.

S. 38:

Das "Portrait Schuberts um 1813" von Leopold Kupelwieser, das sich heute in der Sammlung Liechtenstein befindet, zeigt nicht Franz Schubert, sondern den aus Wels stammenden Arzt Karl Josef von Hartmann. Die Basis der Identifikation ist eine Passage in Franz von Hartmanns Familienchronik (Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Sign. Jc 73234), die vor 46 Jahren(!) publiziert wurde: "Am 13. [Dezember 1826] besahen wir bei Schober Bilder, darunter ein schönes Aquarell von Kupelwieser, wo Schubert am Klavier, einige Freunde, darunter Kupelwieser selbst, dann über das Klavier gelehnt, der Welser von Hartmann, Professor der Naturgeschichte in Olmütz [...]". Nachzulesen in: Schubert Die Erinnerungen seiner Freunde, hrsg. von O.E. Deutsch, Breitkopf & Härtel 1957. Die ikonographische Schubert-Forschung der letzten zwölf Jahre wurde von Herrn Korff völlig ignoriert. Literatur zu diesem Thema:

Rita Steblin, "Die Atzenbrugger Gästelisten - neu entdeckt", in: Schubert durch die Brille 9 (Mitteilungen des Internationalen Schubert Instituts 9), Juni 1992, Schneider Tutzing 1992, S. 65ff.

Dies., "Nochmals die Atzenbrugger Gästelisten", in: Schubert durch die Brille 10, Januar 1993, Schneider Tutzing 1993, S. 35ff.

Elmar Worgull, "Zwei Fehlzuschreibungen in der Schubert-Ikonographie", in: Schubert durch die Brille 16/17, Januar 1996, Schneider Tutzing 1996.

Ders., "Kunsthistorische Untesuchungsmethoden als ein interdisziplinärer Aspekt in der Schubert-Ikonographie", in: Eva Badura-Skoda (Hg.), Schubert und seine Freunde, Böhlau, Wien-Köln-Weimar 1999.

Ders., "Schuberts unbekannter Nachbar in Kupelwiesers Aquarell "Der Sündenfall"", in: Schubert durch die Brille 26, Januar 2001, Schneider Tutzing 2001, S. 101-108.

Michael Lorenz, "Erwiderung auf Elmar Worgulls Replik", in: Schubert durch die Brille 26, Januar 2001, Schneider Tutzing 2001, S. 109f.

S. 40:

Schuberts F-Dur Messe wurde nicht am 16. Oktober, sondern am 25. September 1814 in der Lichtentaler Pfarrkirche aufgeführt. Korff wiederholt eine Fehlinformation Kreißle von Hellborns aus dem Jahr 1865, die schon 1978 korrigiert wurde, aber offenbar unausrottbar ist. (vgl. Erich Benedikt, "Notizen zu Schuberts Messen. Mit neuem Uraufführungsdatum der Messe in F-Dur", in: Österreichische Musikzeitschrift, 52, Jg.,1-2/1997, S. 64)

S. 45:

Aus Mayrhofers Gedicht "Antigone und Oedip" macht Korff fälschlich zwei Lieder mit den Titeln "Antigone" und "Oedip". Dieses Lied entstand außerdem (ebenso wie "Memnon" und "Philoktet") im Jahr 1817 und gehört somit nicht in die erste Liedperiode bis 1816.

S. 46:

Das ganze Thema der "Liebesgeschichte" zwischen Schubert und Therese Grob wird auf überholtem Wissensstand und daher falsch abgehandelt. Therese Grob selbst teilte im Alter mit, von Schuberts Verliebtheit "nie etwas gewußt zu haben". Es "festigte" sich daher "zwischen den beiden" keine Liebe und das "Mädchen wartete" auch nicht. Es gab niemals Heiratspläne, denn Schubert war als Schulgehilfe wegen der geltenden Gesetzeslage (Eheconsensgesetz von 1815) eine Heirat nicht erlaubt. Auch die rosige Beschreibung der Situation auf S. 69 ("teilt Therese sein Hoffen und Bangen") und S. 70 ("gibt sie frei") entspricht nicht den historischen Fakten. Herr Korff betätigte sich hier als fantasievoller Schriftsteller im Stil der Gartenlaube.

Literatur:

Rita Steblin, "Schubert's Beloved Singer Therese Grob. New Documentary Research", in: Schubert durch die Brille 28, Januar 2002, Schneider Tutzing 2002, S. 55-100.

Dies., "Franz Schubert und das Ehe-Consens Gesetz von 1815", in: Schubert durch die Brille 9, Juni 1992, Schneider Tutzing 1992, S. 17-26.

S. 47:

Schuberts Bewerbung als Musiklehrer in Laibach war kein "Verzweiflungsschritt". Mit 500 Gulden CM Gehalt wäre er in der Lage gewesen, eine gesicherte Existenz zu gründen. Bei Währungsangaben fehlt bei Korff stets die Information, ob es sich um Gulden in Wiener Währung, oder Conventionsmünze handelt. Diese im Verhältnis von 1:2,5 stehenden Währungen sollten genau unterschieden werden (auch auf S. 48, 61 u. 117).

S. 50:

Die Miniatur von Robert Theer aus dem Jahr 1829 wird von mehreren Schubert-Ikonographen als zweifelhaft angesehen.

S. 55:

Franz von Schober wurde zwar im Jahr 1796 (nicht 1798, wie von Korff angegeben) in Schweden geboren , er war aber wie sein aus Wien gebürtiger Vater Franz von Schober de jure "Wiener Bürger". Schober studierte in Wien nicht Jura, sondern Philosophie.

Literatur:

Michael Lorenz, "Die Familie Schober und ihr genealogisches Umfeld", in: Schubert durch die Brille 30, Jänner 2003, S. 129-192.

Ders., "Robert Winter: Franz Schubert, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 2nd edition, Macmillan, London 2001", in: Schubert durch die Brille 26, Hans Schneider Tutzing 2001, S. 120.

S. 56:

Schubert benötigte 1817 nicht das Klavier im Hause Watteroth, denn er besaß seit 1814 ein eigenes Instrument, das ihm sein Vater geschenkt hatte.

S. 58:

Die Uraufführung der Ouvertüre im Italienischen Stil am 1. März 1818 war nicht Schuberts erster öffentlicher Auftritt. Das trifft vielmehr auf die Aufführung der Messe in F-Dur im Jahr 1814 zu, denn auch in Lichtental war der Gottesdienst keine geschlossene Veranstaltung.

S. 59:

Johann Michael Vogls Vater war nicht Schiffmeister, sondern "bürgerlicher Fragner" in Steyr. (Wien, Pfarre St. Karl, Trauungsbuch Tom VII, fol. 92)

S. 62

Das Aquarell "Schloss Zseliz" von Adalbert Franz Seligmann stammt nicht aus dem Jahr 1824. Seligmann wurde erst am 2. April 1862 geboren.

S. 65:

Johann Mayrhofer schloß nicht nur das Jura-Studium, sondern auch das Studium der Theologie erfolgreich ab. Geschichte studierte er nicht. Er war nicht Zensor (wie auf S. 67 und 75 falsch angegeben), sondern dritter Bücherrevisor. Das war (wie man auch im Staatsschematismus erkennen kann) eine völlig anders geartete Tätigkeit als jene der wirklichen Zensoren, die alle hohe Kleriker und Universitätsprofessoren waren. (vgl. Michael Lorenz, "Dokumente zur Biographie Johann Mayrhofers", in: Schubert durch die Brille 25, Juni 2000, S. 21-50)

S. 68 u. 121:

Der Beamte und Pianist Joseph von Gahy war nicht Ungar, sondern wurde am 11. Oktober 1793 in Wien geboren. (vgl. Michael Lorenz, "Genealogische Anmerkungen zu Joseph von Gahy", in: Schubert durch die Brille 24, Jänner 2000, S. 19-26)

S. 71:

Joseph von Spaun stammte nicht aus Steyr, sondern aus Linz.

S. 76:

Johann Senn wurde nicht "bespitzelt". Die Visitation bei ihm erfolgte aufgrund eines Vorfalls in einem Gasthaus am Vorabend. Es lagen der Polizei keinerlei Beweise vor und zu der Verhaftung kam es erst wegen Senns äußerst unkluger Verhaltensweise. Die Literatur des frühen 20. Jahrhunderts zur Affäre Senn ist Korff unbekannt. Nach seiner Freilassung war Senn im Hauptberuf Soldat.

S. 78:

Die Abbildung zeigt nicht (wie angegeben) das Kärntnertortheater, sondern das Burgtheater.

S. 79:

Die Entstehungsgeschichte der "Zauberharfe" ist anhand der Entdeckungen zur "Unsinnsgesellschaft" zu revidieren. (vgl. Rita Steblin, "Die Unsinnsgesellschaft", Böhlau Wien 1998)

S. 84:

Die berühmte Wiener Tänzerin hieß nicht "Elßner", sondern Elßler.

S. 91:

Moritz von Schwind spielte nicht die Laute, sondern Klavier und Violine.

S. 94:

Die Schubertiaden in Atzenbrugg fanden schon ab 1819 statt. Schobers Onkel besaß dieses Gut nicht, es war im Besitz des Stifts Klosterneuburg und er verwaltete es nur.

S. 104:

Schloß Ochsenburg liegt nicht bei Atzenbrugg, sondern bei St. Pölten.

S. 108:

Franz von Schober erkrankte nie an Syphilis. Es ist daher unrichtig, daß er "auch betroffen" war (wie Korff schreibt). Es ist ebenso nicht erwiesen, daß sich Schubert diese Krankheit "bei gemeinsamen Abenteuern mit Schober" zuzog. Auch die Behauptung, Schubert habe "im Frühjahr 1823 die Angst gepackt" ist eine freie Erfindung des Autors. Korffs Aussage, daß "Schuberts Verhältnis zu Frauen bis heute nicht hinreichend bekannt" sei, kann angesichts der umfangreichen Literatur zu diesem Thema nur verwundern. (pars pro toto: Rita Steblin, "Schubert's Relationship with Women: an Historical Account," in: Schubert Studies, ed. Brian Newbould, Aldershot Ashgate, 1998, S. 220-243).

S. 110:

Schubert wurde im Sommer 1823 nicht von Vogl "zu einer Steiermark-Reise" eingeladen. Er fuhr nach Linz und Steyr. Offenbar verwechselte der Autor Schuberts Ortsangabe "Steyer" in einem Brief vom 14. August 1823 mit dem österreichischen Bundesland Steiermark.

S. 111:

Ferdinand Graf von Palffy schrieb sich mit zwei "f".

S. 127:

Anton Ottenwalt (nicht "Ottenwald") war nicht Rechtsanwalt, sondern Fiskaladjunkt. 1823 hatte er noch keinen Doktortitel. Er besaß keine Villa in Linz.

S. 128:

Das Gemälde von Melegh gilt in der Schubert-Ikonographie als sehr zweifelhaft.

S. 132:

Die Anekdote Bauernfelds über Schuberts Auftritt im Kaffeehaus gilt heute unter Schubert-Forschern als nette Erfindung des Dichters.

S.141:

Spaun fand nicht Arbeit in der Wiener Lottodirekion, er bewarb sich über Vermittlung von Karl Enderes um dieses Amt und kehrte aus Lemberg zurück, weil und nachdem er diesen Posten erhalten hatte.

S. 142:

Franz von Hartmann starb nicht 1875, sondern 1895. (vgl. Michael Lorenz, "Baronin Droßdik und die verschneyten Nachtigallen". Biographische Anmerkungen zu einem Schubert-Dokument", in: Schubert durch die Brille 26, Jänner 2001, S. 47-88)

S. 143 u. 188:

Karl Enderes wurde erst 1858 in den Ritterstand erhoben (vgl. Michael Lorenz, "Karl Enderes. Eine biographische Studie", in: Schubert durch die Brille 24, Jänner 2000, S. 31-80)

S. 145f:

Die Äußerung Spauns, daß Schubert gesagt habe, "wer vermag nach nach Beethoven noch etwas zu machen", ist sehr zweifelhaft. (vgl. Karl E. Harpf-Harpfenstein [Ernst Hilmar], "'Wer vermag nach nach Beethoven noch etwas zu machen...?' Kritische Anmerkungen zu einem unseligen Zitat", in: Schubert durch die Brille 24, Janar 2000, S. 81-88)

S. 148:

Die Schreibweise "Impromtu" ist bei Schuberts Kompositionen falsch. Seine Stücke heißen entsprechend dem musikalischen Sprachgebrauch der Zeit "Impromptu".

S. 172:

Hernals ist von der Wieden aus gesehen wahrlich nicht "ein nahegelegener Vorort".

S. 173:

Josepha Schubert war nicht Schuberts Stiefschwester, sondern seine Halbschwester.

S. 175:

Schuberts Leichnam wurde nicht in der "Pfarrkirche auf der Wieden" eingesegnet, sondern in der Kirche St. Joseph in Margarethen. Schubert wurde nicht am 21., sondern am 22. November bestattet.

S. 181:

Angesichts seiner vielen Fehler (eine korrigierte Neuauflage steht bevor) kann man Ernst Hilmars "Schubert-Lexikon" nicht als "akribisch gearbeitet" bezeichnen.

S. 188:

Bei jenem Derffel, der in Wien im Schubert-Kreis verkehrte, handelte es sich nicht um Josef, sondern um dessen Neffen Franz Derffel. Das wurde von O. E. Deutsch bereits im Jahr 1957 publiziert (s. auch Michael Lorenz, "Die Familie Schober und ihr genealogisches Umfeld", in: Schubert durch die Brille 30, Jänner 2003, S. 129-192).

S. 189:

Im Index fehlt (neben vielen anderen Personen) der Name Palffy.

 

Hände weg von diesem Buch!

 


© Michael Lorenz 2004. Publiziert auf www.amazon.com 2004.                                                                        nach oben